Der Einpacker

Carsten Erdt, kennt sich mit Konfektionieren aus. Seit seinem 19. Lebensjahr ist der Gründer der Erdt-Gruppe Kontraktpacker. Heute managt der Konfektionierungsprofi aus Viernheim 60 Millionen Artikel im Jahr. Und packt wenn es nötig ist, immer noch mit an – und ein.

Herr Erdt, mit 44 Jahren sind Sie geschäftsführender Gesellschafter eines Copacking-Unternehmens, das mit rund 500 Mitarbeitern 40 Millionen Euro umsetzt. Wie hat alles angefangen?

Erdt: Mit 19 gründete ich die heutige Erdt-Gruppe, das war vor einem Vierteljahrhundert. Als kurze Zeit später ein Lagerhaltungsproblem der Firma Böhringer-Mannheim (heute Roche) zu schaffen macht, entwickelte ich ein Logistikkonzept, für das wir prompt den Zuschlag erhielten. Das Pharmaunternehmen hält Blutzuckermessgeräte für Auslandskunden vor. Um den Bestand gering und flexibel zu halten, bieten wir bis heute die Konfektionierung außerhalb der Konzernlagerhallen zu flexiblen Arbeitszeiten und auch am Wochenende an. Der Kunde ist uns bis heute treu geblieben.

Wie haben Sie den großen Auftrag als kleines Startup-Unternehmen geschafft?

Erdt: Die Ereignisse haben uns zunächst ganz schön überrollt. Anfangs packten wir ja noch in meinem Elternhaus und mieteten nach und nach weitere Räume in der Nachbarschaft dazu. Ich hatte ein gutes Netzwerk und habe selbst Tag und Nacht mit an- und eingepackt. Irgendwann hat es dann gereicht, um eine große Halle anzumieten und Mitarbeiter einzustellen.

Wie entwickelte sich Ihre Konfektionierungs-Firma weiter?

Erdt: Inzwischen sind wir Volldienstleister. Wir lagern, verpacken, versenden, verwalten Bestände, bearbeiten Aufträge und organisieren das Retourenmanagement. Wir machen alles hinter dem Webshop der Kunden. Und wir programmieren diesen auch. Denn zur Erdt-Gruppe zählen inzwischen ebenso eine IT- und eine Werbeagentur. Beide sorgen dafür, dass die Onlineshops per Suchmaschinenoptimierung gefunden werden. Außerdem binden die Vertriebsprofis die virtuellen Stores an Verkaufsplattformen wie Amazon an.

Sie gelten als Generalist, der bereits in den verschiedensten Bereichen Erfahrungen sammelte. Woher kommt Ihre Vielseitigkeit?

Erdt: Alltagsgeschäft ist nicht mein Ding. Deswegen habe viel mehr gemacht, als Verpacken: Als Schüler hatte ich einen Hausmeisterservice, wusch die Autos der Nachbarn, mähte mit Freunden Rasen und übernahm Botengänge. Mit Anfang 20 entdeckte ich, dass Erzeugnisse der Druckvorstufe schnell von A nach B transportiert werden müssen. Außerdem erkannte ich einen steigenden Bedarf an Direktmailing-Aktivitäten. Also gründete ich die Firma Printservice.

Sie waren Fensterprofil-Produzent in Korea, hatten ein eigenes Restaurant und können auf viele weitere Stationen zurückschauen. Gab es denn auch schlechte Erfahrungen?

Erdt: Natürlich. Das Asien-Projekt hat mich richtig Geld und Nerven gekostet. Die dortige Fensterfabrik habe ich mit 24 Jahren aufgebaut, weil ich bereits in Hongkong Geschäfte machte und sah, dass die Fenster liederlich waren. Die Firma florierte und ich wurde als gefeierter Newcomer von IHK-Vorträgen bis ins koreanische Fernsehen durchgereicht. 1997 kam die Asienkrise, über Nacht rissen Auftragseingänge ab. Den Gipfel leistete sich mein damaliger Generalmanager. Der räumte die Fabrik leer und stellte im Nachbarort die geklauten Maschinen auf, um in Eigenregie zu produzieren.

Was haben Sie daraus gelernt?

Erdt: Geschult hat mich das Leben. Und wo andere fast Pleite gehen, verbuche ich das Unangenehme als Erfahrung, die ich in meiner Kernfirma gut gebrauchen konnte. Gelernt habe ich etwa, dass sich Auslandsinvestitionen nicht lohnen. Wir könnten heute wie unsere Wettbewerber in Polen Päckchen packen lassen. Doch da kann ich nicht mal eben hinfahren, wenn Not am Mann ist. Denn kommt ein kurzfristiger Auftrag rein, krempeln auch Chef und Manager die Ärmel hoch, das ist bis heute so. Wir haben alle einen Staplerführerschein und können Lkw fahren. Droht ein Lieferengpass, packen alle mit an. Das nenne ich nachhaltiges Arbeiten.

Was sind Ihre Stärken als Unternehmer?

Erdt: Ich entwickle gerne Ideen, setze sie auf die Schiene und schiebe sie an. Dann übernehmen meine Geschäftsführer. So ist das auch beim Copacking. Ich bleibe im Hintergrund, so lange alles gut läuft, ich habe schon gar kein Büro mehr am Firmensitz Viernheim, sondern manage alles vom Homeoffice in Heidelberg aus.

Wie finden Sie den privaten Ausgleich zum Konfektionierungsgeschäft?

Erdt: Ich spiele Golf und übernehme Fahrdienste für meine Kinder. Ich bin ein absoluter Familienmensch. Weil ich einen Tesla fahre, machen solche Übungen auch Spaß. Wie den Elektroautobauer sehe auch ich mich als Pionier in meiner Branche. Es braucht Menschen, die mal etwas wagen.

Wie setzen Sie sich von der Konkurrenz ab?

Erdt: Früh haben wir ein Qualitätsmanagementsystem sowie eine spezielle Softwarelösung implementiert, die genau auf die Wünsche unserer Kunden zugeschnitten ist. Die Prüfer von Roche bescheinigen uns dafür 100 von 100 möglichen QM-Punkten. Vor kurzem zeichnete Roche uns sogar mit dem Partnerstatus aus. Diesen haben bis heute nur elf Lieferanten weltweit.

Wie behalten Sie bei 60 Millionen bearbeiteten Artikeln den Überblick?

Erdt: Das macht unser ERP. Das Enterprise-Ressopurce-Planning-System zeigt uns auf einen Blick, wie das Unternehmen dasteht. Das sogenannte Dashboard gibt einen guten Überblick über den Status der Aufträge und zeigt an, wo welche Positionen offen stehen und wo Handlungsbedarf besteht. Das gehört zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren bei der Endkundenbetreuung. Zudem sehen wir durch das ERP-System schnell, wie viele Aufträge, Lieferbestätigungen und so weiter eintreffen. Und wie viele Pakete im Monat das Lager der Erdt-Gruppe in Viernheim Richtung Verbraucher verlassen. Aktuell sind es monatlich rund 10.000.

Wie kommt eine solche Zahl zustande?

Erdt: Der Unternehmenszweig Erdt Concepts agiert als Fulfillment-Dienstleister wie ein mittelständisches Amazon und wickelt für derzeit knapp 20 Webshops den gesamten Prozess von der Bestellung bis zum Versand ab. Also Lagerung, Versand und Retourenmanagement. So stapeln sich auf 14.000 Quadratmetern im Lager unter anderem Tiernahrungsprodukte oder Taucherbedarf. Unser Kerngeschäft sind und bleiben aber Medizingeräte.

Was ist die Herausforderung beim Verpacken von Pharma-Produkten und Biotech-Erzeugnissen?

Erdt: Wir sind als Copacker auf dem Markt erfolgreich, weil wir hohe Standards einhalten können, die bei Pharmazeutika und Biotechnologie-Produkten gelten. Kühlräume für empfindliche biochemische Lösungen sind heute ebenso Pflicht wie Zertifizierung nach der verschärften Norm ISO 13485 für Medizinprodukte. Weil es um Gesundheit geht, fordern unsere Kunden eine Null-Prozent-Fehlerquote. Durch detaillierte Packvorgaben und Prüfungen aller Prozesse sowie ständige Schulung der Mitarbeiter erfüllen wir die Vorgaben.

Wie wichtig ist Ihnen das Thema Nachhaltigkeit?

Erdt: Dass wir umweltbewusst agieren, sieht man nicht nur an meinem Elektroauto. Unsere neue Lagerhalle erfüllt alle Kriterien, um emissionsarm zu wirtschaften. Wir haben die zehn Millionen Euro nicht für einen reinen Zweckbau investiert. Sondern in ein CO2-neutrales Gebäude. Inklusive Solarkraftwerk auf dem Dach, Wärmetauscher und Elektrotankstelle, an der jeder Mitarbeiter umsonst sein Auto laden darf. Aber Nachhaltigkeit bedeutet für mich auch, langfristig zu denken, Menschen über Jahre zu beschäftigen und weit in die Zukunft zu planen. Mein Motto als Familienunternehmer ist hier: Wir denken nicht in Quartalen, sondern in Generationen.

Wie sieht die Erdt-Zukunft aus?

Erdt: Wir planen weiteres Wachstum. Das Know-how als Logistik-Allrounder ist über die Grenzen hinweg gefragt. Auch unsere Geschäfte als Dienstleister im Versand und E-Commerce wollen wir forcieren. So könnte die Anzahl der verarbeiteten Artikel von derzeit 60 Millionen deutlich steigen.